Depeche Mode - Sounds Of The Universe

depeche modeManche hier werden es wissen: als Herausgeber des Fanzines aufabwegen fröne ich seit Jahr und Tag der meinungsdurchtränkten Publizistik ohne Rücksicht auf Trends oder Promozettel. Das soll auf unruhr.de nun seine Fortsetzung finden, hehe. Depeche Mode sind ja auch ihr eigenes Universum. Krisenresistent steuert der britische Dreier durch die gewitterschwangeren Luftschichten des Pophimmels, ohne auch nur mit einer Wimper zu zucken. Sounds Of The Universe ist das tollste, was wir seit langem von DM gehört haben. Immer schon eine Gruppe des Sounds, nie der Loudness oder schreienden Effekten übermäßig zugewandt, haben Dpeeche Mode in diesen Tagen etwas produziert, das kaum möglich schien. Ein modernes, unprätentiöses, auch persönlich scheinendes Album, das die Bezüge vor allem im eigenen Werk sucht und findet.

Es finden sich auf Sounds Of The Universe thematische Ballungen wie zu Black Celebration-Zeiten. Es gibt den grandiosen Versuch, Clubansätze wirklich konsequent in das Songformat umzusetzen, ein Ansatz, der bereits bei Playing The Angel begonnen wurde. Es gibt mit Peace eine grandiose Hommage an das einzig überproduzierte DM-Album der Bandgeschichte, Songs Of Faith And Devotion, die zeigt, wie unter fortgeschrittener Reife der religiös anmutende Schmachtsound sinnvoll umgesetzte werden kann. Zugleich ist Peace auch eine Reverenz an Vintage Electronics und die Kollegen von Ultrafoxx. So will es scheinen. Und: der inbrünstige Gesang von Gahan besonders in dieser Nummer erinnert wohltuend daran, dass Depeche Mode als einer der wenigen „Dinosaurier" mit Style, Understatement und Würde den unwürdigen Mechanismen des Business trotzen (siehe Echo-Verleihung). Ohne Bono-Faktor alter hier ein Band in Ruhe vor sich hin, die großes geleistet hat und dabei wieder zu sich selbst gefunden hat.
 
Das Songwriting des Martin Gore ist auf Sounds Of The Universe wiedererstarkt. Es blitzen hier wieder auf: die strahlend schöne, verletzend einnehmenden Naivität der Texte, die in Beziehungskitsch verpackten milden Sozialkommentare (Wrong, Jezebel) und die pro Album ein bis zwei tollen, immer wieder im Gesamtwerk auftauchenden Textzeilen, die man sich einrahmen sollte, weil sie von zeitloser Schönheit sind. „There is no space for the regrets/I will remember to forget" aus Peace. Hach, ist das herrlich. Highlight des Albums ist für mich der Track In Sympathy, der crunchige Beats, die Andeutung einer Gitarre und die verführerische Kraft des Atonalen kombiniert. Bitte hier auf endlosen Repeat stellen!

Sounds Of The Universe ist rein objektiv betrachtet außerdem dahingehend erstaunlich, dass die sich früher schon mal konkurrierenden Frontmänner mehrfach im Duett singen und mit Jezebel nur ein echter Martin-Song (im von ihm beherrschten Metier der Schmachtballade) enthalten ist. Im Rest des Materials gibt sich die Band geschlossen und mehr an den Songs und ihren Feinheiten denn an innerer Reibung interessiert. Das ist gut so. Depeche Mode, das wird die Band bleiben, die beim Nachjaulen der ersten drei Akkordfolge von Shake The Disease gestandenen Kerlen ein debiles Lächeln ins Gesicht treibt. Und wisst ihr was?! It Doesn't Matter. Two.

In Tränen (oder Ketten),

Till Kniola