Lenz - Augen auf und durch

ImageHeute war gestern gerade erst morgen
Und morgen wird heute wieder zu gestern

Zeit - die „zutiefst das Menschsein prägende Wirklichkeit" (Heidegger). Wir haben nicht genug von ihr, wir verschwenden oder verlieren sie. Lenz nehmen sie sich ganz dreist und lassen es so wirken, als sei dies das Natürlichste der Welt und gar nicht anachronistisch in einer Epoche, in der alle anderen der Zeit nachjagen, meinen, sie sei Geld, aber nicht verstehen, dass sie an sich keinen Wert hat, außer dem, den wir ihr verleihen. Was wir mit ihr anfangen, macht sie erst wertvoll. Das haben auch die grauen Herren in Michael Endes „Momo" verstanden und betrügen die Menschen um ihre Zeit. Diese fangen an, Zeit für die Zukunft zu sparen und leben so nicht mehr für die Gegenwart. Die Zeit wird wertlos.

„Augen auf und durch" ist zeitlos, obwohl es von ihr handelt. Kaum einer der zehn auf dem Album enthaltenen Songs, der nicht mit Temporaladverbien oder anderen zeitbezogenen Begriffen gespickt ist: im letzten/neuen/nächsten Jahr, unendlich, vorgestern vor einem Jahr, letzte Nacht, jetzt, am Morgen, von Morgen, rasend schnell, die Uhr, die Zeit...

„Augen auf und durch" ist anti-eskapistisch: Vor dem inneren Auge lässt es keine cinematografischen Leinwandepen entstehen, auch keine Traumwelten oder Länder, in denen Zitronen blühen. Es bedient ganz klar Heideggers Zeitbegriff, handelt von Nähe und Distanz, Träumen und der Realität, vom Gewinnen und Verlieren, dem Staus Quo des menschlichen Daseins und strahlt dabei eine Ruhe aus, die wir alle an einem Punkt in unserem Tag/unserer Woche/unserem Monat/Jahr/Leben irgendwann einmal brauchen. Und für die wir uns Zeit nehmen sollten.

So wie die Fotografien, die das Booklet säumen, sind auch die Lieder verschwommene Momentaufnahmen mit viel Spielraum zur Interpretation: zwischenmenschliche, philosophische, tagträumerische, emotionale. Nicht monochrom, aber auch nicht knallig bunt, allenfalls pastellfarben.

Die Texte stehen ganz klar im Vordergrund. Die Musik ist Mittel zum Zweck, sie ist der weiche Teppich, in den sich die Wortstrukturen passgenau hineinschmiegen. Ein musikalisches Understatement, schnörkellos, genauso bodenständig und geerdet wie es der Gesang von Richard Putz ist.

In der so viel beschworenen Zeit der Krise, in der wir uns momentan befinden, kann „Augen auf und durch" als Schlachtruf verstanden werden. Als Aufforderung nicht auf heile Welt zu machen, sondern uns der Situation, den Realitäten, der Verantwortung zu stellen. Dann haben wir vielleicht die Chance, gestärkt aus ihr hervorzugehen. Die letzte Liedzeile des Albums steht als Ausblick: „Wir suchen uns was Neues aus." Fortsetzung folgt...

Erscheinung: 22.05.2009
Label: Noteworks

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