Lily Electric - You're In The Painting You Saw

You're In The Painting You SawBei den vier jungen Dänen, die ihre Heimatstadt Kopenhagen vor bereits drei Jahren gegen die bundesdeutsche Hauptstadt Berlin eingetauscht und seitdem dort ihre kreative Heimat gefunden haben, ist der Name nicht Programm. Denn elektrisch ist auf ihrem Debütalbum so gut wie gar nichts - sieht man einmal von den Gitarren und vom Bass ab. Synthesizer? Fehlanzeige.

Doch wenn sie nicht in die Elektroecke zu drängen ist, wo kann man die Band dann musikalisch verorten? Was das betrifft, haben einige musikjournalistischen Kollegen mal wieder tief in die Kategorisierungskiste gegriffen und ein possierliches Exemplar der Bandbelabelung hervorgezerrt, dass sich zweifellos mit allen ihm zur Verfügung stehenden Extremitäten an andere Festlegungen und Seinesgleichen geklammert hat, um ja nie das gleißende Licht der unbarmherzigen Musikmedien erblicken zu müssen und dem Schicksal, als neologistisches Gespe(i)nst für alle Zeiten durch die digitalen und physischen Journaillen zu geistern, zu entkommen. ´S half nichts, und so wurde das „Indie-Art-House" zum ständigen Begleiter von Lily Electric.

Nun könnten wir ja mal ein wenig Etymologie betreiben, um dem (Un)Sinn dieses begrifflichen Gebildes auf den Grund zu gehen. Dass „Indie" im Grunde kein Genre ist, sondern sich auf unabhängige, kleine Plattenlabels (im Gegensatz zu den „Majors") bezieht, weiß man und dass es sich mittlerweile dennoch als Genre geriert ebenso. Dass „Art" der englische Begriff für „Kunst" ist, setze ich gleichfalls als bekannt voraus. Und „House" ist ein Genre innerhalb der elektronischen Tanzmusik. Doch was hat das in der Beschreibung einer Band zu suchen, in deren Musik - wie oben schon festgestellt - nichts Elektronisches zu finden ist?

Fasst man die Begriffe „Art" und „House" zusammen, dann kommt man der vermeintlichen Intention der Kollegen bezüglich dieser Wortwahl schon beträchtlich näher. „Arthaus" (aufgepasst: nicht „house") ist im cinematografischen Kontext die Entsprechung von „Indie", nämlich Filme, die den Anspruch haben, ernst zu nehmende künstlerische Werke zu sein, oft experimentell sind und nicht für ein Massenpublikum produziert werden.

„Artrock" hätte es auch getan, wenn man schon Schubladen bedienen muss. Wozu weitere Splittergenres erschaffen, wenn es schon genügend gibt? Dass die Band zweifelsohne von der Bildenden Kunst inspiriert ist (was jetzt nicht zwingend dem Artrock zugrunde liegt), lässt alleine der Blick auf das Cover von „You're In The Painting You Saw" erkennen: Die Darstellung bunt gekleideter Figuren, die durch das Tragen von Schnabelmasken mittelalterlicher Pestärzte an den venezianischen Karneval erinnern und verschütteter Kaffee, der in farbenfrohem Rautenmuster einen Hügel hinab fließt, ist nicht die übliche Gestaltung eines Tonträgers. So bunt - durch die Schnabelmasken - aber ebenfalls melancholisch ist auch die Stimmung auf dem Album.

Wie sich der Betrachter in Ausstellungen moderner Kunst einem Bild vielleicht etwas länger zuwenden muss, erschließt sich nicht jeder Song sofort. Und denkt man, man kennt die Richtung, dann schlagen Lily Electric einen Haken und führen den Zuhörer ganz woanders hin. Die Dänen finden zwar Referenzen im Indierock, doch weht bei ihnen die frische Brise des Nordens, die sie sich von anderen gitarrenbasierten Bands der letzten paar Jahre abheben lässt.

Erscheinung: 17.04.2009
Label: PonyRec
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http://www.myspace.com/lilyelectric