Erinnert sich noch jemand an verrauchte Kneipen? Falls nicht, dann unbedingt „A journey too far" hören.
Eine Band im schummrigen Halbdunkel einer Spelunke, eine von Nebel mystifizierte Sängerin und die ewigen Jagdgründe des Soul und Blues. So könnte man sich das denken, wenn man dem inzwischen fünften Album von Nostalgia 77 lauscht. Drei Jahre hat es gebraucht, den Nachfolger von „The sleepwalking society" unter die Leute zu bringen. Natürlich hat Benedic Lamdin, der Kopf hinter Nostalgia 77, nicht auf der faulen Haut gelegen, sondern auf weiteren Hochzeiten getanzt. Man kann sich aber sogar vorstellen, dass er drei Jahre an „A journey too far" gearbeitet hat, so fein getunt erscheint das neue Album.
Lamdin hat sich erneut entschlossen, mit der Berlinerin Josa Peit an den Vocals zu arbeiten. Die hat zwar längst beim The Gym Label von Brandt Brauer Frick unterschrieben, dürfte sich dennoch über Lamdins Angebot gefreut haben. Denn „A journey too far" strotzt vor großartigen Songs. Und manche Neosoul-Queen wird auf Knien vor Lamdins Studiotür rumrutschen, um auch einmal Tracks wie „Ramshackle Rose" oder „Backlash" besingen zu dürfen.
Das neue Album ist keine Reise für Schlafwandler, im Vergleich zum Vorgänger ist das neue Album deutlich flotter und gefälliger. Es ist zu erwarten und N77 zu wünschen, dass sich ein breiteres Publikum angesprochen fühlt. Es ist ein herzlich-analoger Soulsound, der mal bluesy, mal funky rüberkommt. Gastvokalist Jeb Loy Nichols steuert auf zwei Stücken so etwas wie 60ties Pop mit karibischem Flair bei, bei dem man sich Männer in slim-fit-Anzügen und schmalen Krawatten vorstellt. Das wirkt sehr angenehm auf den Körper, aber ist nach zweieinhalb Minuten leider schon wieder vorbei.
Die erste Single „Angel with no halo" könnte es auch als James-Bond-Titelsong versuchen und „One" hat den Blues, aber hallo! Lamdin und seine Nostalgia Band haben mit „A journey too far" den musikalischen Rahmen weiterentwickelt, behalten aber den reichhaltigen Minimalismus bei, der N77 kennzeichnet. Das erreicht Meisterschaft bei „My Lord", welches lediglich mit handclaps, Bass und ein wenig Gitarre glänzt. Wow! „A journey too far" ist ein echtes Pfund in Understatement-Pose.
Nostalgia 77 erfreut den Hörer mit fast vergessen geglaubten Saxophonsoli („Don't run"), mit sonst seltenen Schlagzeugeinlagen („Ramshackle Rose") und einem wahnsinnig akzentuierten Bläsersatz. Diesem Sound fehlt nur noch ein gediegener, dreiköpfiger Backgroundchor.
Ein solch facettenreiches Album wie „A journey too far" verlangt nach einem knackigen Fazit: Klasse Album! Und das Ding der nostalgischen Briten wird wie geschnitten Brot über die Ladentheke gehen, sobald Benedic Lamdin von sich reden macht als Produzent des kommenden Jamie Cullum Albums. Wetten...!?
Erscheinung: 2014 (10.02.)
Label:Tru Thoughts Recordings
www.nostalgia77.com