Das Gezeichnete Ich - Das Gezeichnete Ich

das_gezeichnete_ich_coverDie sehr gut verdienende Single-Frau kommt nach einem langen Tag nach Haus, setzt sich vor die weißglänzende Küchenfront und nimmt ein Glas Vazard-Coquart zur Hand. Der berufliche Ärger mischt sich mit der latenten Angst des Alleinseins. Die Seele zwischen Wut und Trauer. Das große Gefühl, das Männer nur nach einem verlorenen 11-m-Schießen überfällt.

Die Musik dazu kommt von Das Gezeichnete Ich. Monströs-Pop der großen Gefühle mit Electro-Touch, Piano, Streichern, traurigen Trompeten und dem Wunsch, den Hörer an einen Gedichtband von Gottfried Benn zu erinnern. Fast jeder Song verfügt über einen Bombast-Chorus, der häufig zum lauten Mitsingen inspiriert. Es kann kein Zufall sein, dass Das Gezeichnete Ich, dieses Ein-Mann-Projekt aus Berlin, bereits Support für die Pet Shop Boys und Ich & Ich war und demnächst für A-Ha sein wird. In diesen Gefilden kann man Das Gezeichnete Ich verorten. Und wer P sagt, muss auch B sagen. Die Beatles und Sergeant Pepper schreien laut Hey in „Beste Zeit“, eine abgeklärte Reminiszenz an die große, an die verflossene Liebe. Doch das Debütalbum ist ein Gefühls-ICE. Deshalb geht es weiter mit „Durch die Blume“. Die Liebeserklärung an die Neue voll wimmernder Orgeln, geschmeidiger Bassdrum, Rimshots und ganz viel tränenrührendem Piano.

Meine Fresse: Ist Das Gezeichnete Ich schwülstig („...wir können diese Welt nur mit Liebe bezwingen...“). Doch wessen Sentiment nicht durch Speckschwarten geschützt ist, wird berührt sein. Die Monsterbreitseite Gefühl, Pop und Lyrik, wobei der Kritische sich auf die Suche begibt nach dem Erkennen des Gewolltseins. Doch ist das verzwickt. Die Mühsal, es so leicht klingen zu lassen wie die einzelnen Songs es nun einmal tun, ist schwer zu entlarven. Meine musikalische Sozialisation verbietet es mir, das ausgezeichnetet „High“ oder die ausgekoppelte Single „Halleluja“ gut zu finden. Doch ich kann nicht. Es hängt im Hirn.

Das Gezeichnete Ich ist ein Verführer. Und wenn da nicht die Stimme wäre, die nach dem mittelmäßigen Organ eines Radiomoderators klingt, wäre ich restlos überzeugt. Auch wenn ich eigentlich nicht will.

Erscheinung: 2010 (25.06.)
Label: Emi Music Germany
www.dasgezeichneteich.de
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