LSD + „Einer flog über das Kuckucksnest“ : Lavalampe x „Apocalypse Now“ - Hunter S. Thompson + „Flucht in die Zukunft“ : Dr. Seuss x „2001: Odyssee im Weltraum“ - psychedelische Tapetenmuster = „Future Breeds“.
Das Frontcover lässt auf den ersten Blick nicht erkennen, womit man es zu tun hat: Arbeiter in bunten Ganzkörperanzügen, zimmern mit skurrilen Werkstoffen Gebilde zusammen, die nicht den geringsten Nutzen erkennen lassen. Atemmasken verdecken ihre Gesichter. Alleine durch die Verschiedenfarbigkeit ihrer Overalls unterscheiden sie sich. So stellten sich die Menschen Ende der 1960er/ Anfang der 1970er-Jahre wohl die Zukunft vor. Und genau dann ahnt man, womit man es zu tun hat.
„Future Breeds“ vereint 60er, 70er und das Beste der Zukunft. Als „Flagtrack“ steht „JFK‘s LSD“ exemplarisch für alles, worum es auf dem Album geht: Psychedelia, Bewusstseinserweiterung, tribalhafte Drumbeats, schräge Keyboards, quietschende Gitarren, Falsett-Gesang, surreal-dadaistische Lyrics, futuristische Klangexperimente. Man meint seinen Ohren nicht zu trauen. Hot Hot Heat bringen den Hörer dazu, seine über die Jahre herangebildete musikalische Konditionierung grundlegend zu überdenken.
Geholfen hat dabei sicher die Trennung vom Label und die mutige Entscheidung, das nunmehr fünfte Studioalbum alleine zu produzieren. Das neu eingerichtete Studio im “Tugboat Place” in der bandeigenen Homebase Vanvouver diente als chaotisch-kreativer Spielplatz. Und möglicherweise auch als Inspiration für den Track “Times a Thousand”, der an den Soundtrack zu 60er-Jahre-Horrorfilmen erinnert, denn in dem 1903 erbauten und ehemals höchsten Gebäude des Commonwealth soll es spuken: “Es sind einige eigenartige Dinge passiert. Nachdem ich abends abgeschlossen hatte, waren oft am nächsten Morgen die Geräte eingeschaltet. Der Hausmeister hat erzählt, dass er schon oft das Gefühl hatte, jemand hätte ihn berührt,” verriet uns Sänger Steve Bays erst kürzlich.
So schräg und andersartig wie sich “Future Breeds” präsentiert, könnte man durchaus einen übernatürlichen oder zumindest bewusstseinserweiternden Einfluss beim Entstehen der Lieder vermuten. Doch da wiegelt die Band ab: “Wir nehmen keine Drogen, wir trinken nur viel.” Trotzdem drängt sich beim Hören der Vergleich mit der Wirkung halluzinogener Inspirationsquellen wie dem bereits erwähnten LSD oder Mescalin auf: "Zunächst setzen Hyperaktivität und innere Unruhe ein, dann leicht veränderte Wahrnehmung und ein intensiveres Farbensehen. Halluzinatorische Visionen und Traumbilder mit Realitätsverlust treten auf. Intensiv leuchtende Farben werden wahrgenommen."
Auch das Video zur kürzlich erschienen Single “21@12” scheint das Ergebnis eines Rauschzustands zu sein und zeigt Charaktere, die individualistischer nicht sein können. So wie die, durch die sich Steve Bays beim Songwriting hat inspirieren lassen: “Ich habe keine Geschichten mehr, die ich erzählen könnte. Deswegen habe ich aus der Perspektive von Leuten aus den Nachbarschaft geschrieben. Und viele von denen sind ziemlich abgefuckt.”
{qtube vid:=NXj2ur6PUQ4}
“Future Breeds” ist der kostengünstigste Weg, die “Pforten der Wahrnehmung” (im Original “The Doors of Perception” von Aldous Huxley) ganz weit aufzustoßen. Und da scheint sich ein kleiner Kreis zu schließen, denn diesem Buch soll Jim Morrison den Namen seiner Band The Doors entnommen haben und ebenjener - und sein vorzeitiges Ende - werden wiederum in “Implosionatic” thematisiert. Außerdem erklärt Frontmann Bays von Musik aus eben dieser Zeit, nämlich dem damals aufkommenden Prog-Rock beeinflusst worden zu sein. Geschichte - auch die musikalische - ist eben doch zyklisch.
Trotz aller Zyklen gibt es aber glücklicherweise immer auch Entwicklung und Fortschritt. Und so gibt das Album Hoffnung auf eine bessere musikhistorische Zukunft.
“Future Breeds“: Die Zukunft ist hier!