Globalisierung hat auch was Gutes. Okay, in Zeiten der kollabierenden Börsen, an denen skrupellose Finanzheinis das virtuelle Geld der Welt verzocken, mag das auf den ersten Blick eher zynisch klingen, aber wir beschäftigen uns ja hier mit dem Musikbiz, und da ist eine offene Welt doch was Feines.
Besonders für die Jungs von Neїmo. Denn wer es geschafft hat, trotz der im eigenen Land vorgeschrieben Radioquote (die Franzosen sind bekanntlich ja manchmal etwas zu übertrieben national und konservativ, was hier im Wortzusammenhang der Definition „erhaltend, bewahrend" entsprechen soll) englisch singend mehrere Hits zu landen und wegen der Radioquote den Weg über die Vereinigten Staaten nimmt, um es von dort in Europa zu schaffen, muss offene Grenzen sowohl territoriale als auch mentale äußerst begrüßen.
Im nächsten Monat bringen unsere linksrheinischen Nachbarn nun ihr zweites Studioalbum in die Läden. Wer da etwas Grenzüberschreitendes erwartet, wird wohl eher enttäuscht sein, wer aber Spaß am Rätseln hat, der wird sich mit seinen Ohren an den Melodien festsaugen und jedes Mal triumphierend jauchzen, wenn er wieder ein Element heraushört, das er als von einer anderen Band des Indie-Genres (das ja, nimmt man es genau, eigentlich gar kein Genre ist - aber irgendwie doch...) entlehnt identifiziert.
Im Grunde ähnelt die Platte einer wissenschaftlichen Arbeit: Alles ist irgendwo geklaut und zu einem stimmigen Ganzen zusammengeschmolzen. Der Titel könnte also lauten: „Indie-Rock/Pop - Auf den Spuren eines Genres, von seiner Entstehung bis zur Gegenwart." Da gäbe es zugegebenermaßen das bereits oben als Paranthese genannte Problem und das der Zuordnung mancher identifizierter Bands, aber das sollte ja auch nur ein Vergleich sein.
So negativ das klingen mag, so wenig abwertend ist es gemeint. Denn Musik soll ja in erster Linie gefallen und Spaß machen, und wenn man auch Anleihen der verschiedensten anderen Bands heraushört, so sind es eher solche aus den vorderen Reihen und geschickt in die von Neїmo entwickelte Songstruktur eingearbeitet.
Track Nummer sechs („Lines") steht exemplarisch für das gesamte Album. Wie äußerst passend, als genauer Mittelpunkt der zwölf Lieder umfassenden Tracklist. Hier fügen sich neben Elementen der Kollegen von Maxїmo Park und anderer Indiebands treibende Gitarren und ein Xylphon mit elektronischen Klängen zu etwas Neuem, das in 3:20 das gesamte Genre zusammenfasst.
In anderen Songs fühlt man sich an Pulp, The Strokes, die frühen Nada Surf oder Arctic Monkeys erinnert (zuordnen werde ich das hier im Einzelnen nicht, denn ich will euch ja nicht den ganzen Spaß verderben). Letzteres ist wenig verwunderlich, denn hier kommt der kreative Einfluss des verantwortlichen Produzenten zum Tragen: Auf der Referenzliste von Alan Moulder stehen nämlich neben My Bloody Valentine und den Smashing Pumpkins auch erwähnte britische Überflieger.
Neben energiegeladenen Rocksongs findet sich auch die eine oder andere zum Teil sehr interessant umgesetzte Ballade. „Peter & The Wolves" z. B. ist wie die (fast) gleichnamige Komposition von Sergej Prokofjew ein musikalisches Märchen, in dem auch wieder ein Xylophon zum Einsatz kommt, das neben der ansonsten recht minimalistisch eingesetzten instrumentalen Besetzung den Sprechgesang des Sängers, der gleichsam als Geschichtenerzähler fungiert, träumerisch untermalt.
Im Vergleich zu ihrem 2005 erschienen Erstling „From Scratch" haben sich Neїmo auf dessen Nachfolger in vieler Hinsicht weiter entwickelt. Bruno Dallesandros ohnehin schon großartiger Gesang, der auf dem Debüt noch wesentlich roher und noch nicht vollkommen ausgereift wirkt, ist nun kontrollierter und technisch um einiges besser. Auch an der Lyricsfront haben die Jungs einen großen Sprung nach vorne getan, was zugegebenermaßen angesichts Liedzeilen wie „you kissed me, you kissed my thing" wohl auch keine allzu große Herausforderung dargestellt haben dürfte.
Im April gibt es die obligatorische Promo-Tour, die selbstverständlich auch Station in Deutschland macht:
14.04. Karrera Club, Berlin
15.04. Prinzenbar, Hamburg
17.04. Atomic Café, München
18.04. Stummsche Reithalle, Neunkirchen
19.04. Studio 672, Köln
Erscheinung: 27.02.2009
Label: Shangri-la Music
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