
„infinite loop #1“ ist die erste tape-vö von aidan baker überhaupt. neben der tatsache, dass es immer noch und wieder label gibt, die aus den unterschiedlichsten gründen auf diesen aus dem blickwinkel der digitalwelt doch nur mit nachteilen behafteten tonträger setzen (und einer der neuesten nachteile dürfte der sein, dass viele überhaupt kein geeignetes abspielgerät mehr besitzen oder nie besessen haben) ist dies hier eine ganz besondere tape-vö: zuerst einmal ist der titel, den aidan baker gewählt hat (und das macht er so ja ganz gerne) die genaue beschreibung des inhalts. bei dem tape handelt es sich nämlich um ein 60 sekunden langes endlosband, so wie es früher in anrufbeantwortern zu finden war. in der hier vorliegenden form missbraucht, läuft das tape im abspielgerät (so mann + frau eins haben...) solange wie der strom reicht, das tape nicht reisst... usw. also möglicherweise so nah an „infinite“ wie möglich. aidan baker hat mit dem wissen um diese möglichkeit (und dem wissen um die tatsache, dass endlostapes eine winzige klebestelle besitzen, die keine musik abspielen kann) ein filigranes, sehr deepes und warmes stück entwickelt, dass in seiner länge von 60 sekunden etwas fragmentarisches hat, als dauerrotation im tape-deck aber zu seiner waren größe als rauminstallation aufläuft. perfekt.
die weitere besonderheit liegt in der darreichungsform; mal wieder: die ansonsten unverändert gelassene new-old-stock kassette ist auf der rückseite (anmerkung: die man nie als vorderseite einlegen darf) bestempelt, die vorderseite der kassette trägt weiterhin das nüchtern / old-school label des herstellers, das ganze ist umwickelt mit gefalteten transparentpapier, bedruckt mit den vö-daten und in einer vierteiligen, fast 2 kilo schweren(!!!) metallbox verpackt und zugeschraubt. auf der frontseite dieser metallbox künstlername, name des stücks und des labels plus eine zeichnung von aidan baker (die gleiche, der auch der stempel zugrunde liegt), eingraviert in das metall(!!!). objektcharakter galore... + instant love. limitiert auf 87 stck. teuer, aber wer es in der hand gehalten hat weiss, dass die herstellung alles andere als billig war... aus allen genannten gründen extrem empfohlen.
http://inselkind-schalltraeger.de/page1.php
„once upon a time there was (a beginning & an end)“, split-7“ auf art metronome mit the guyaveras with josh thorpe auf der flip ist nicht nur vom format etwas ganz anderes: aidan baker geht hier den gleichen weg wie auf der drone-akustik-songwriter vö „only stories“ und entwickelt ein zuerst scheinbar ganz einfaches, intimes stück mit im vordergrund stehenden, warmen gesang; ganz nah aufgenommen; alle saitengeräusche hörbar, das im weiteren immer stärker durch subtile drones (auch von der akustikgitarre) unterlegt wird, um am ende in eine drone-loop-wolke aufzugehen; weitab von standardisiertem singer-songwriter format. zum glück auf 33 rpm.
„timber piles“, das stück der guyaveras, basiert zwar auch auf akustikgitarre und gesang, die ausführung als sprechgesang über fragmentierter gitarre mit elektronischen ergänzungen, die ebenso fragmentarisch bleiben, unterscheidet sich zwar deutlich von der aidan baker seite, passt aber, unvoreingenommen betrachtet, erstaunlicherweise gut; mit eigener atmosphäre.
die 7“ im label-standardcover (welches meinen geschmack nicht so ganz trifft) mit split-artwork auf der innenseite...
in einem cover, dass auf den ersten blick auch etwas spartanisches, grafisch jedoch deutlich mehr zu sagen hat und in seiner grauen farbe mit den verwirrenden strukturen die vinylfarbe und -struktur(!) vorwegnimmt, kommt die 7“ „bach eingeschaltet-vierter band“ auf reue um reue und bietet die (natürlich) vierte folge elektronischer nacherzählungen von stücken (besser: fragmenten von stücken) von johann sebastian bach (teil drei zuvor beinhaltet übrigens zwei beiträge von troum). auf der einen seite „cello suite #1 in g major, bmv 1007“ auf der anderen cello suite #2 in d minor, bmv 1008“. da ich die originale nicht kenne (und auch nicht nach-recherchiere; jedenfalls derzeit nicht), kann ich nur wenig dazu sagen, wie sehr aidan baker die originale verändert; erstgenannte suite in einem cleanen gitarrensound könnte (zumindest zunächst) nah am original sein; die im laufe des stücks hereinbrechenden hall-wolken sprechen auf jeden fall ihre eigene sprache...
unbedingter hit ist aber die zweite suite: aidan baker spielt solo ja nicht ganz so oft mit richtig heavy verzerrung; genau hier aber doch wieder einmal. das stück beginnt trotz seiner soundlichen schwere paradoxerweise irgendwie ad hoc abzuheben, verliert sich jedoch zu keiner zeit im nirvana, sondern bleibt als eine einzige studie in heavyness greif- und hörbar. sehr gut! und sehr gute vinylqualität dazu; hierfür danke an das label.
„green figures“? das klingt vertraut. und richtig, bereits 2009 hat bassesfrequences, das französische label, das auch diese cd veröffentlicht hat, eine aidan baker cd mit dem titel „blue figures“ veröffentlicht. und auch damals war es eine live-vö und auch damals war bereits das stück „figures“ enthalten, ein stück, das bereits 2005 als cdr und 2007 als cd veröffentlicht wurde (als teil einer das thema behandelnden gruppe von stücken). und auch die zwei anderen stücke, „chainsaw“ und „machina“ sind alte bekannte (in diesem fall von der „green & cold“ cdr bzw. cd aus 2007 bzw. 2008 und der nadja interpretation auf der „belle betes“ von 2009). „green figures“ unterscheidet sich von all dem dadurch, dass es ein live auftritt mit kevin micka am schlagzeug war, der sich sehr geschickt und subtil mit aidan bakers loops verwebt; mit einem aidan baker in bestform, der gerade auch die shoegazerartig / songhaften stücke mit gesang in einem gleichzeitig transparenten wie dronigen sound meistert (aufnahme eric quach aka thisquitearmy + ein paar spätere overdubs von aidan baker); aufgrund der (vermuteten) intimität des aufnahmeorts ganz nah am hörer. wohnzimmerkonzert, sozusagen; auch in der konserve. und auch hier mit einem sich weit öffnenden, heavy ending; die letzten rund 4 minuten von „machina“ als der perfekte schlusspunkt dieser wirklich guten live-cd.
„noise of silence“. essence music. eingeweihte wissen, was beim nennen dieses labelnamens kommen mag...
zunächst einmal jedoch ist „noise of silence“ auch eine wiederveröffentlichung (im original 2007 als cdr), allerdings remastert durch james „of-mastering-fame“ plotkin und es ist eine der aidan baker platten der geisterhaften sorte: ein gespinst aus tönen und stimmen, wesentlich freier als die mehrzahl seiner werke; mit einer unwirklichen stimmung, die das rund 50 minütige stück von der ersten sekunde an beherrscht. und sich immer weiter verdichtet (...was bei der anfangsdichte eigentlich fast unmöglich scheint), immer drängender wird; allein über die suggestiven stimmen, die diejenigen vor den lautsprechern gefangen nehmen und hypnotisieren. definitiv eine erfahrung, dies über kopfhörer zu hören (und dabei zu überleben...). ein stück voll dämonischer kraft, selbst (oder besser: gerade) gegen ende, wenn sich die schichten zurückziehen und die unzahl der stimmen sich zugunsten der des häuptlings enthalten. nicht(s) für zarte gemüter... aidan baker = schamane. zumindest hier, auf „noise of silence“.
soweit die normalversion dieser wiederveröffentlichung; jetzt die box: und hier läuft essence-music ja traditionsgemäß zur höchstform auf. neben der 6-panel digipack normalversion mit ihrem neuen artwork von kevin yuen enthält diese eine cdr mit ganz frühen demos von aidan baker, die bis ins jahr 1991 zurückreichen. die stücke „hymn“, „godless“, „green & cold“, „misunderstanding“, „merge (version one)“, „merge (version two)“, „west of the sun“ und „clinging“ zeigen dabei in erster linie, dass sich aidan baker eben schon mindestens 20 jahre mit collagierter, loopbasierter und repetetiver musik beschäftigt. auch wenn einzelne der stücke aus heutiger sicht vielleicht noch etwas unfertig wirken oder soundlich noch nicht ganz ausgereift, so reichen sie, um ablesen zu können, dass aidan baker neben seiner lust am experiment stets auch das songformat im hinterkopf hatte. möglicherweise die naheliegendste erklärung, warum fast alles (oder alles?) von ihm so einen verführerischen charme hat; auch bei sehr experimental angelegten stücken. und natürlich die box selbst: vergleichbar zu der vorangegangenen nadja-box auf essence-music („autopergamene“) ist die box eine art texturiert dreidimensional umhüllte kiste, diesmal in der grundfarbe blau, diesmal zum seitlichen auf- und auseinanderklappen mit pro seite je 5 aufeinanderfolgenden, abstrakten bildpaneelen... opulent und, wie bei diesem brasilianischen label oft, visuell gestalterisch auf ungewohnten ebenen.
mit „plague of fantasies“ veröffentlicht blackest rainbow eine aidan baker lp, die auf älterem unveröffentlichten material basiert: eine sphärisch warm driftende flächenplatte mit perkussion, teils aus der drum machine, teils basierend auf drum loops, im original gespielt von bruder richard baker. mit tief eingebettem gesang und harmonien, die die hörer quasi umarmen. musikalisch vielleicht etwas verwandt mit der „thoughtspan“, 2007 zunächst auf tosom und 2009 ebenfalls als lp auf blackest rainbow erschienen. zeitlupe und tiefe gelassenheit, trotz der perkussion. eine der aidan baker platten, die zwar wenig überraschen, aber gerade deswegen ihren weg direkt zum hörer finden. durchaus zu recht, gelingt es ihm doch immer wieder aufs neue, die thematik neu zu beleuchten und zu beleben. gerade auch durch die lange laufzeit die perfekte sofaplatte.
www.blackest-rainbow.moonfruit.com
„still life“, mit einem cover, das (vermutet) wie eine stillleben momente der lebensumgebung aidan bakers zeigt: eine mischung von instrumentarium, blumentöpfen, eine uhr... zwischen fokussiert und leicht schräg, wie erwartet(?).
und auch die musik eröffnet neue blickwinkel: in bezug auf musikalische sparten ist ja im allgemeinen gut streiten; je näher an die grenzzonen die diskussion führt, desto vehementer. ist „still life“ also jetzt jazz? wieviel an experimental-musik ist ohnehin eigentlich jazz (im ursprünglichen sinne)? wie experimentell ist jazz heute? was ist jazz eigentlich? ihr wisst, was ich meine...
„still life“ ist piano, bass und schlagzeug und vom metrum, besonders gegen ende der platte mit einem geradezu typischen jazz-feel. „still lives“, der auftakt, ist dagegen fast noch aidan baker „pur“, nur statt der sonst allgegenwärtigen gitarre mit dem piano (und dies gilt auch für die folgenden drei stücke) als hauptinstrument eingespielt: die anfangs noch unverändert im raum stehenden pianoakkorde werden im laufe des stücks subtil geloopt und zu rückwärts laufenden drones verwebt; plus gegen ende einsetzendes schlagzeug (und gerade das ist es, was durch spielweise und metrum in erster linie „jazzy“ wirkt...) ...und ein übergang zu „remembered time“; ein übergang, der jedoch eigentlich nur am display des players stattfindet, bevor sich das stück dann doch im weiteren durch harmonische ergänzungen, rhythmische verdichtungen und eine verstärkte bearbeitung in sachen rückwärts-töne entwickelt. „refugee from oblivion“ beginnt dann fast wie klassische musik, fällt aber zügig in die looper-falle und mutiert zu einer ziemlich far-out fingerübung; zwischen fragment und stück und irgendwie sonderbar abstrus bis verpeilt. auch hier eine späte rhythmusgruppe, die in diesem fall tendenziell für ordnung sorgt. „complex iconographical symbology“, der abschluss, tut dann zunächst so, als gelte es, die #1 bzw. #2 wieder aufzugreifen; mit einem kontrast aus entspannten pianoakkorden und fast treibenden schlagzeug. aufgrund der durchgehend entspannten stimmung aber bis zum ende trotzdem nie in irgend einer weise hektik verbreitend. wie die ganze platte.
„tonstreifen“ ist experiment von der sorte, die mehr für den künstler ein experiment ist; weniger für den hörer. zwei je gut viertelstündige stücke („ton“ + „streifen“) ruhigen hör-technos... genau; von aidan baker. er selbst schreibt (möglicherweise schmunzelnd) dazu, dass in berlin (wo er und leah buckareff ja derzeit zumeist wohnen) diesem sound nicht auszuweichen ist. als ventil hier also „tonstreifen“ als download direkt von broken spine productions; leider / zum glück (noch?) nicht auf vinyl. keine revolution der geschichte der elektronischen musik, aber (wenig erstaunlich) trotz anderem instrumentariums und vielleicht anderer herangehensweise an die komposition mit der gleichen verführerischen note wie viele / die meisten / alle (je nach fan-tum) stücke seines sonstigen outputs. also: lohnt sich.
schöne grüße
N