Sich wie Das Gezeichnete Ich lediglich auf Gottfried Benn beziehen, ist Kindergeburtstag.
Wer es sich allerdings zum Ziel macht, Benns Lyrik originalgetreu zu übernehmen und zu vertonen, beweist großen Sportsgeist. Denn die Gedichte des deutschen Dichters und Arztes scheinen auf den ersten Blick wenig geeignet, um daraus Pop- oder Rocksongs zu machen. Gottfried Benns Output schwankt irgendwo zwischen Brechreiz und Weltschmerz. Wer ein Gedicht über Ratten im Körper einer Leiche "Schöne Jugend" betitelt, kann sich nicht beschweren, wenn andere meinen, man hätte ganz schwer einen an der Waffel.
Doch genialer Wahnsinn hat Rockmusik bisher noch immer voran gebracht. Insofern befindet sich Inselsucht auf einem guten Weg. Den manchmal eckigen Texten Benns wird gerader Rocksound an die Seite gestellt, der nicht versucht, dem Wort den Rang abzulaufen. In Zusammenhang mit der eindringlichen Stimme Heide Kalischs wird deutlich: Die Lyrik steht hier im Vordergrund. Damit eine perfekte Symbiose aus Text und Musik entsteht, wurde der alte Haudegen Eroc (Ex-Grobschnitt) beauftragt, dem Album auf seiner Mastering Ranch den letzten Schliff zu verpassen.
Trotzdem bietet "Hier ist kein Trost" keinen Trost für die Freunde der Supermarktmusik. Lediglich "Nur zwei Dinge" entsendet kurzfristig einen Impuls zum vergnügten Pfeifen. Ansonsten regiert gebotene Strenge.
Inselsuchts Mut, sich an scheinbar nicht Kompatiblem zu versuchen, wurde mit dem in Eigenproduktion entstandenem "Hier ist kein Trost" belohnt. Zusammen mit dem sehr gelungenen Artwork der CD ist etwas sehr Hörens- und Sehenswertes gelungen, das einen zur Beschäftigung mit dem Produkt zwingt, und Lust macht, mal wieder ein altes Reclam-Heftchen raus zu kramen.
Erscheinung: 2010
www.inselsucht.com
Das Album bei itunes