Fat Freddys Drop verstehen es, ihre Stücke mit einer evidenten Schnörkellosigkeit monumental zu verschnörkeln. Nur dadurch kommt es zu 80 Minuten Lauflänge für eine LP mit sechs Stücken. 80 lange Minuten, aber keine einzige langweilige darunter. Denn nichts wirkt aufgebläht, alles ist so wie es zu sein hat.
Vielleicht ist aber auch alles andersrum. Denn das zweite Live-Album in der noch relativ kurzen Bandgeschichte der Neuseeländer kommt zwar jetzt auf den Markt. Jedoch stammt die Aufnahme aus dem Dezember 2008. Fünf der sechs Stücke existierten zu diesem Zeitpunkt noch nicht als Studioversionen, sondern erschienen als solche erst ein halbes Jahr später auf "Dr. Boondigga & The big BW". Was wiederum bedeuten würde, dass die Live-Versionen für das spätere Studio-Album entschnörkelt wurden und bestätigen, was uns Trompeter Tony Chang im Interview erklärte: Die Songs haben einen sehr natürlichen Weg von der Bühne ins Studio hinter sich.
Aber egal, ob Henne oder Ei. "Live at Roundhouse" bündelt unglaubliche Versionen inzwischen altbekannter Songs. Allein die 11-Minuten-Version von "Pull the catch" mit einem krachenden Schlagabtausch zwischen Live-Drummer Rikki Gooch und dem MPC sowie quasi-kirchlichem Ausgang mit Orgel rechtfertigt die Anschaffung des neuen Albums. Oder 15 Minuten "The raft" einschließlich Dub-Part, dessen Essenz es in die Studioversion geschafft hat und der organischen Einbindung von "Ernie" aus dem 2005er Album "Based on a true story".
Überhaupt ist "Live at Roundhouse" eine Dub-Orgie, welche die Meisterschaft des Live-Mixes unterstreicht. Unter Hinzunahme der ungeheuerlichen Bläser entsteht ein Mix, der so ausgeklügelt erscheint wie wochenlange Studiosessions. Ein Sound, den man nicht unbedingt für eine Live-Aufnahme hält und den nur Experten nach dem ersten Live-Album "Live at the Matterhorn" erahnen konnten.
Um Ideen sind Fat Freddys Drop nie verlegen. Jetlag Johnson benutzt eine Fuzz-Box für seine Gitarre, eine altbackene Rapeinlage bei "The nod" ist mindestens genau so schön wie Omas Backofen in eurer Designerküche und die Bläsersoli münden in eine gemeinsame Dixieland-Einlage. Die nur von Orgel begleitete, brillante Stimme Joe Dukies am Ende von "Pull the catch" bestätigt: Fat Freddys Drop ist Religionsersatz.
In Kenntnis der vier Album der Combo aus Wellington, kann ich nur sagen: Eines ist besser als das andere. Und wenn eine Band vier Alben veröffentlicht und zwei davon sind Live-Alben, mag das den Eindruck der Hoffnung auf leicht verdientes Geld erwecken. Doch wer die Freddys live erlebt, wird wissen: Es ist Ausdruck der besonderen Qualität dieser Kapelle.
Erscheinung: 2010 (17.09.)
Label: The drop
www.fatfreddysdrop.com
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