WAZMann

Die WAZ wird 60 und begießt sich selbst. Zugegeben: „Der Westen" ist im Vergleich mit anderen Nachrichtenplattformen durchaus vorbildlich. Wo können Bürger sonst so hemmungslos ihre - manchmal mehr als absonderliche - Meinung äußern? Das hat einen aufklärerischen Verdienst an unserer Gesellschaft, der erhellend und erschreckend zugleich ist. Aber was der neokonservative Rammbock der Rolle Rüttgers, Chefredakteur Ulrich Reitz, jetzt in seinem Leitartikel zum Geburtstag der Altpapiersammlung WAZ von sich gegeben hat, ist eine Zeugnis anbiedernder Volkstümelei - und eine Ansammlung sich widersprechender Rammdösigkeiten in triefigem Pathos.

„Volkszeitung" ist die dümmste davon. Die schlechteste: Herr Reitz glaubt, die WAZ schwimme in der Mitte des Flusses unserer Gesellschaft, dort, wo die Geschwindigkeit am höchsten sei. Schau mal an. Endlich mal jemand, der stolz ist, mit dem Fluss zu schwimmen. Dann jedoch glaubt er, die Zeitung wäre ein Ort des Innehaltens und der Besinnung. Aha. Was denn nun? Besinnung oder Tempo? Augen zu und durch oder schön zurücklehnen im Ohrensessel. Egal: Hauptsache, er kommt zum Schluss: „Nicht wir haben den Scoop geschafft, sondern: Sie." Er meint mich. Und dich übrigens auch. Was er dabei denkt, ist nicht so ganz klar, aber es war - zum Ende des Artikels - die letzte Chance, sich beim Leser einzuschmeicheln. Das ist auch bitter nötig, denn die WAZ verliert massiv an Lesern und sucht verzweifelt nach neuer Refinanzierung. Denn die Gesellschaft ist kein Fluss, sondern ein Netzwerk. Und die WAZ ist ein kleines Knötchen in diesem Netz, irgendwo, ein Knötchen, das an einem Konzern hängt, der Geld verdienen muss, um sinkende Auflagen auszugleichen. Nur im Ruhrgebiet glaubt man ja noch, dass es nichts anderes gäbe außer der WAZ. Das wollen die WAZ und Herr Reitz die Menschen hier auch glauben lassen - für immer. Also hängen sie in Essen das Fähnchen in den Wind, ach nein, sie schwimmen mit dem Fluss.. 

Da wird auch eine konservativer Flussschiffer schon mal zum selbsterannnten Revoluzzer. So ist nämlich sein Geschwurbel überschrieben - ja, mit Revolution. Ich glaube, Herr Reitz ist eigentlich ein geläuterter Anarchist, der wie einst Friedrich Merz Löcher in den Auspuff seiner Mofa gebohrt hat, um es mal so richtig krachen zu lassen. Bei 35 km/h.

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