Bier macht gar nicht well.

Was unterscheidet den einstigen Bergmann von Zollern II/IV, Mont Cenis oder Graf Schwerin vom modernen, schlaffärschigen Bankangestellten, urbanen PR-Agenten oder städtischen Verwaltungsangestellten? Nein, nicht nur das unabwendbar Schlaffe. Sondern: Er war nach der Arbeit immer frisch geduscht, wenn er an der Theke seines Vertrauens noch einen orderte.

Der moderne Angestellte aus dem Dienstleitungssektor hingegen trägt seinen täglichen Angstschweiß aus dem letzten Anpfiff des Chefs und die fließende Sitztranspirationsfeuchte angesichts der drohenden (Ver-)Kündigung noch unterm Arm, wenn er eines der kleinen und hippen Cafés betritt, die seinem Lifestyle doch – ach - so viel mehr entsprechen als das spröde Amtszimmerleben. Vielleicht trägt er deshalb so oft eine Zeitung in der Achselhöhle, wenn er das chill’r in Dortmunds Brückstraßenviertel betritt, das Café mit den erquicklichsten Bedienungen diesseits des Urals. Er setzt sich an die Theke, legt seine zuverlässig saugende Süddeutsche beiseite und lässt mal so richtig die Sau raus. Die heimelige Schreibstube der örtlichen Sparkasse ist vergessen, man kann endlich wieder die „verrückte Nudel“ sein, lüftet lässig den Schlips und obersten Hemdknopf. Was für eine Befreiung.

Ein fluffiger Spruch für die Frau hinter der Theke, während die Wampe sanft über den bei Tchibo erstandenen Wendegürtel schwallt und Tropfen sammelt. Nett lächelt die in diesem Augenblick schönste Frau der Welt sogar die furiosesten Rebellen an. Jene, die sich gerade eine CD mit den besten Rock-Hymnen aller Zeiten gekauft haben, die am Ende jedes Satzes immer „also, is meine Meinung“ sagen, die wegen eines neuronal bedingten Phonetikfehlers nicht leise telefonieren können, die trotz Amtszimmerjob mutig grün wählen und wegen der Liebe zur Natur im fernen Neuseeland ökologisch Kerosin abwandern gehen.

Und jetzt kehrt gar der Sommer wieder ein. Man dünstet noch mehr aus, darf aber auch mal kurzärmlig tragen, damit das olfaktorisch Unausweichliche einen noch ungestümeren Weg in Nachbars Nase findet. Das hat Duktus. Wir freuen uns.

Da muss eine Latte Macchiato her, weil es ein Kaffee nicht mehr tut. Ein Bier trinkt auch keiner mehr, weil diesem Proletenurin irgendwie das Bukett der Industriegesellschaft anhaftet. Außerdem ist es eines der reinsten Getränke moderner Lebensmittelalchimie und wird vorwiegend von Leuten getrunken wurde, die nach der Arbeit frisch geduscht sind. Wer will das noch in Zeiten individueller Wochenendrevolution? Das hat null Convenience und macht auch gar nicht well.

Moderne Zeiten sind das. Die Cafés und Bars im Unruhrgebiet sind irgendwie schöner geworden. Die Bedienungen darin auch. Nur die Gäste stören, wenn man nachmittags nach der Arbeit mal einen trinken will, bevor man zuhause anständig duscht.
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www.chill-r.de (könnte auch mal wieder eine Aktualisierung vertragen,aber wer guckt sich solche Seiten schon an)